Mathe und die Hybris der Akademiker

In den letzten Tagen bin ich über Aspekte des Studiums gestolpert, die mich schon lange umtreiben:

Da war zum einen der Beitrag im Spektrum Podcast: »Schafft Mathe ab!« von Marc Zimmer und Edmund Weitz und heute habe ich eine Umfrage von HRK Modus per Mail zum Thema Anerkennung von Kompetenzen (Interview Uwe Elsholz) bekommen. Zu beiden Themen findest Du Beiträge in meinem Blog: hier, hier und hier

Hybris der Akademiker

Ich sehe das So: Die geringen Anerkennungen anderer Kompetenzen und die Mathematisierung auch trivialster Dinge sind Methoden, sich über andere Wege des Problemlösens zu erheben. Nur dem wissenschaftlichen Weg wird Anerkennung gezollt. Man grenzt sich eben ab, grundsätzlich und nicht nur Mediziner tun das.

Dabei ist es nicht immer schlau alles in ein mathematische Korsett zu zwingen. Das merke ich, wenn ich mein Vorgehen - ganz automatisch entstehen im Kopf Formeln, Zeichnungen - mit meinem Sohn vergleiche. Währen ist noch am Formalisieren bin, hatte er schon die Lösung; einfach so. 

Natürlich war das keine Raketenwissenschaft, sondern Fragen die in so Wettbewerben gestellt werden; eben nicht rum rechnen sondern "just do it". Aber wir zwingen alle durch die Mathevorlesung, wo der Dreisatz und kompetenter Excel-Einsatz im Beruf meist völlig ausreicht. Und in Job wird dann rumgestümpert und ich bekomme Auswertungen, die schon auf den ersten Blick Schwachsinn sind. 


Pride (Superbia) aus Hieronymus Bosch
The Seven Deadly Sins and the Four Last Things
Museo del Prado, Madrid

Und dann die Anerkennung: Wie oft habe ich gehört, das man ja leider, leider nichts anerkennen kann. Denn die Lehre ist ja Voraussetzung, dass die Hochschule die Gnade der Immatrikulation erweist. Als wenn sich die Kompetenzen irgendwie verbrauchen. Und überhaupt das Niveau ist ja so viel höher als in der Ausbildung und der Berufspraxis; ja wenn der neue Studierende seine Lehre in der Forschung gemacht hätte; wie bitte?

In den Jahren seit ich an der Hochschule bin, habe ich versucht in meinem Studiengang LDD Kompetenzen anzuerkennen. Das hat ganz schön viel Nerven in Disputen gekostet. Dass ein Studierender das heilige Fach eines Kollegen so einfach anerkannt bekommt. Da wird dann auch mal mal Mathe bei einem Wechsel des Studiengangs innerhalb der Hochschule nicht anerkannt.  

Deshalb habe ich ein Protfolioverfahren entwickelt und genutzt [1]. Anerkennung heißt auch Wertsachätzung und macht stark. Aber Individuelles ist eben viel Arbeit. 

Individuell kann man auch nicht einfach in ein Programm pressen; Schon blöd, weil "Digitalisieren gut immer ist". Also atmet der HRK Modus Fragebogen den Geist der Technokraten. Alles schön in Schubladen stecken und wehe Du passt da nicht rein. Was für ein B...t.

Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen

Studierende mit Vor-Erfahrung sind durch die Bank hoch motiviert, wissen was sie wollen, kennen ihre Grenzen und können arbeiten. Dabei ist egal ob eine Ausbildung gemacht oder studiert oder gearbeitet wurde. Und die mit gleichem Abschluss haben, je nach Betrieb, sehr(!) unterschiedliche Kompetenzen. Haben die 'Macher solcher Förder-Forschung-Digitalisierungs-Projekte eigentlich ... das kannst Du Dir denken, was ich hier schreiben wollte.  

Das Verrückte ist, dass auch in den Augen von gewerblichen Mitarbeitern der Akademiker gefälligst in Büro schön bei seinen Daten, Excel und Powerpoint zu bleiben hat. Wenn ich dann in einem Projekt eben mal selbst Hand angelegt habe, gab es regelmäßig Stirnrunzeln der gewerblichen Kollegen. Die Teilung ist tief in unseren Köpfen: Blue-Collar vs. White-Collar: What's the Difference?

Das erinnert mich an eine Geschichte meines Vaters: Der war Ingenieur bei Siemens im Kraftwerkbau, hatte aber vorher eine Lehre gemacht. Wenn sein Team etwas konstruiert hat und die Werker anriefen das gehe so nicht, dann ist er eben runtergegangen und hat es praktisch gezeigt. 

Beides ist wichtig, so soll es sein.

Und die Logistik?

Abgesehen davon, dass Überheblichkeit und Hochmut, seit je her als verwerflich gilt, sind sie auch Verschwendung. Und als Logistiker kann ich Verschwendung nun mal gar nicht haben.

  • Tschötschel U and Wölker M (2014), "Anerkennung macht stark", FH Rundschau. (3), pp. 18,19.[BibTeX] [URL]

P.S.

Individualisierte Anerkennung erfordert Entscheidungen und es könnte jemand unzufrieden sein gar ein Widerspruchsverfahren einleiten. OMG das ist ja schrecklich, und das in einem Beamtenladen. OK, Sarkasmus aus ...

Ich habe es jahrelang so gemacht, hohe Anerkennungsquoten, das LDD-Studium beschleunigt und n-i-e hat es Ärger gegeben. Wo ist also das Problem? Ich weis es, denkt mal nach.

PP.S.

An meinem Excel-Kurs arbeite ich noch weiter. Gar nicht so einfach.

 

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