Die Selbständigkeit des Urhebers und die KI

Positionspapier zur "Künstlichen Intelligenz" in der Hochschule

Wir brauchen nicht so fortzuleben,
wie wir gestern gelebt haben.
Machen wir uns von dieser Anschauung los,
und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
                                                             Christian Morgenstern

Kaum sind die neuen Möglichkeiten der "künstlichen Intelligenz" in der Welt – nein, sie sind nicht erst jetzt in der Welt. Ich habe schon vor 20 Jahren darüber promoviert, und die ganzen Prinzipien sind uralt. Aber jetzt funktioniert es endlich so, dass jeder damit etwas anfangen kann.



"Captain, kann es sein, daß
wir aufgrund unseres Alters
unflexibel geworden sind?"
Spock, Star Trek 6:
Das unentdeckte Land


Und es bricht eine große Panik aus – vor allem an den Hochschulen wird immer wieder überlegt, was man machen solle, weil man es nicht kontrollieren können. Das spricht natürlich auch die Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit der Lehrenden an, denn viele Fähigkeiten, die man sich zugegebenermaßen oft mühevoll erarbeiten musste, sind jetzt für alle Studierenden einfach verfügbar.

Vor 3 Monaten habe ich den Studierenden unmissverständlich klargemacht: △ Wer diese modernen Werkzeuge nicht nutzt, handelt unklug.

Wer schreibt den(n) hier?

Die erste Frage, die sich stellt, ist, wer der Urheber ist, unabhängig davon, ob wir einen Text schreiben oder einen Text diktieren oder Bilder mit einem generativen Programm erzeugen.

Limburg et al [1] haben sich damit auseinandergesetzt und formulieren es so: "Die Nutzung von KI-Schreibtools berührt die Genese von Erkenntnis und Wissen. Indem diese Tools Wissenschaftskommunikation, die Verbreitung neuer Erkenntnisse  und  den  kritischen  Umgang  mit  Wissen(schaft)  beeinflussen,  betreffen  sie auch das Wissenschaftsverständnis und damit grundlegende Aspekte akademischer Kultur in Zeiten der Digitalisierung von Lehren und Lernen."




"I've developed a method
of impressing human engrams
upon the computer circuits.
The relays are not unlike
the synapse of the brain.
M-5 thinks, Captain."
Daystrom zu Kirk
TOS: Computer M5


Aber warum ist das nur auf die Textproduktion beschränkt? Ich kann zum Beispiel ganz einfach mit ChatGPT in einen Austausch treten und dabei meine Gedanken besser fassen, so wie ich es mit einem sehr geduldigen und sehr gebildeten Menschen tun würde. Oder ich kann mit einem der generativen Malprogramme ein Bild zu einem Thema erstellen, so wie ich es mit einem Künstler machen würde, mit dem ich mich austausche, um festzulegen, was dargestellt werden soll.

Es stellt sich also immer die Frage, wer der Kreative war, wer der Autor, von wem die Ideen kamen und welche Werkzeuge benutzt wurden, um das Endergebnis zu erzeugen. Denn eines ist klar: All diese "künstlichen Intelligenzen" sind genauso sichtbar wie ein Lektor, der meinen Text optimiert, oder meine Frau, die jahrelang meine Arbeit korrigiert hat. Entscheidend ist, dass der Autor durchgehend autonom arbeitet und den Einsatz der KI steuert.

Die Urheberschaft

Ich bin zwar kein Jurist, aber die Frage nach der Urheberschaft stellt sich immer wieder. Ich gehe dem aus dem Weg, indem ich alles, was ich schaffe, selbst generiere, bestmöglich kennzeichne und dann auch zur Verfügung stelle, damit andere damit weiterarbeiten können, ohne dass es zu Problemen kommt.


"I would never have believed
that an EMH could become a
valued member of my crew,
and my friend.
The Doctor is a person
as real as any flesh and blood
I have ever known."
Janeway
Voyager, S7 20


Thomas Hoeren [2] hat sich in einem Rechtsgutachten zum Umgang mit KI-Software im Hochschulkontext mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Zunächst ist natürlich völlig klar, es muss eine persönliche geistige Schöpfung vorliegen, sonst kann man nicht Urheber sein, und eine KI ist zweifellos keine Person. Insofern ist die KI nie der Schöpfer, die Frage ist dann, inwieweit derjenige, der die KI nutzt, der Schöpfer ist.

Ich zitiere Hoeren: "Das Bestehen eines Urheberrechtsschutzes für KI-generierte Texte entscheidet sich daher an der Frage, ob ein hinreichender menschlicher Einfluss vorliegt, um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des ↪ § 2 Abs. 2 UrhG zu bejahen." Inwieweit dies der Fall ist, ist natürlich nicht so einfach zu beantworten. Wenn das Programm nur als Hilfsmittel zur Unterstützung des Anwenders eingesetzt wird, dann kann das Ergebnis durchaus urheberrechtlich geschützt sein, Punkt.

Im Folgenden zwei Beispiele, die ich erstellt habe: Links ein Bild für Instagram für das Pirmasenser-Mint-Praktikum und rechts ein Bild ebenfalls auf Instagram für den Kurs "Logistische Datenanalyse". Man sieht, dass DALL-E2 viele verschiedene Varianten erzeugt hat, die immer wieder andere Ausschnitte zeigen, je nachdem, wie ich die Eingabeaufforderung variiert habe. 

↪ all sizes
pirmasens stem lab logistics - stem lab at the university of applied science kaiserslautern - logistics machines in lab - technikal logistics in lab - virtual reality searching things - a question mark in virtual reliaty - only a question mark nothing else - bits and bytes and data analysis of complex systems and processes with flow diagrams - many data and computing systems understanding using excel - computer programms excel gephi powerpoint - database spreadsheet calculation - several technicans calculate the logic of processes - computer and symbols
↪ all sizes
Also warum hab ich die Bilder nicht einfach selbst gemalt? Das Ausgangsbild für das ▷ Pirmasenser MINT-Praktikum hatte ich schon als Thumbnail, das könnt ihr dann auf meinem youtube-Kanal sehen. Das andere ist komplett neu entstanden.  Einfach, weil ich die Zeichentechniken nicht beherrsche, weil es eine lange Ausbildung braucht, um so was zu malen, einen bestimmten Stil zu haben.

Dass das alles einheitlich und nahtlos dargestellt wird, das können die KI-gestützten Programme sehr gut. Ich muss auch nicht diskutieren: "Mach bitte das, was ich mir vorstelle". Das hat natürlich den Nachteil, dass der kreative Input eines Künstlers dann natürlich fehlt. Aus all diesen Ausschnitten habe ich dann letztendlich das Endergebnis erzeugt, wofür ich natürlich wieder Programme wie GIMP, Irfanview, aber auch Paint verwendet habe.

Es sind Kreationen, die aus der Interaktion zwischen mir, den Programmen und anderen Werkzeugen entstehen.

Kennzeichnungspflicht

Ja, aber natürlich müssen der Einsatz all dieser modernen Hilfsmittel gekennzeichnet werden. Transparenz ist der zentrale Aspekt jeder wissenschaftlichen Arbeit. Der Rezipient muss jederzeit nachvollziehen können, wie ein bestimmtes Ergebnis zustande gekommen ist, und wenn dazu Hilfsmittel eingesetzt werden, dann muss das offengelegt werden.

Nun mag man geteilter Meinung darüber sein, ob mein Blog wissenschaftliches Arbeiten ist – ich denke schon. Aber unabhängig davon lege ich meine Vorgehensweise natürlich im Transparenzhinweis unten offen.




"Computers make excellent
and efficient servants,
but I have no wish
to serve under them."
Spock zu Kirk
TOS: Computer M5



Hoeren [2] behandelt dies im zweiten Teil seines Rechtsgutachtens und bringt den Kerngedanken gleich im ersten Satz auf den Punkt: "Inwieweit Texte, die durch den Einsatz eines KI-Tools entstanden sind, im akademischen Kontext entsprechend gekennzeichnet werden müssen, hängt davon ab, ob andernfalls ein Täuschungsversuch der Prüflinge oder ein wissenschaftliches Fehlverhalten zu bejahen ist."


Die Selbstständigkeitserklärung ist eine formale Erklärung in einer wissenschaftlichen (Prüfungs-)Arbeit, mit der bestätigt wird, dass der Verfasser die Arbeit selbstständig und ohne unerlaubte Hilfe verfasst hat. Die Eigenständigkeitserklärung ist somit ein Mittel, um die akademische Integrität zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die vom Verfasser erbrachten Leistungen korrekt und unabhängig sind.

Hier ist mein Vorschlag mit Anpassungen, die auf Limburg et al. [1] für KI-unterstützte Werkzeuge basieren.

Selbstständigkeitserklärung 

Hiermit erkläre ich, dass ich diese [Art der Arbeit] selbst verfasst habe. Ich versichere, dass ich alle Hilfsmittel, Daten, Zeichnungen und Skizzen vollständig angegeben habe. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und die Stellen der Arbeit, die anderen Werken - einschließlich der benutzten Tabellen und Abbildungen - entnommen sind, in jedem einzelnen Fall unter Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht.

Weiterhin versichere ich, dass ich im Falle der Verwendung von IT-/KI-gestützten Schreibwerkzeugen diese in der Rubrik „Übersicht der verwendeten Hilfsmittel“ vollständig mit Produktname, ~Version, Bezugsquelle und ggf. Angaben zu genutzten Funktionen und Nutzungsumfang der Software aufgeführt habe. Bei der Anfertigung dieser [Art der Arbeit] habe ich durchgehend selbständig gearbeitet und den Einsatz der IT-/KI-gestützten Schreibwerkzeugen kontrolliert. 

Die Arbeit wurde noch nicht veröffentlicht und war weder als Ganzes noch in Teilen in gleicher oder ähnlicher Fassung Gegenstand einer Studien- oder Prüfungsleistung.

Resümee

Zweifellos wird sich vieles ändern und wir werden unseren Umgang mit Wissen, Lesen, Schreiben etc. sicherlich an die neuen Möglichkeiten anpassen müssen. Aber die unterschwellige Unterstellung von Betrugsabsichten der Studierenden bei der Nutzung von KI-basierten Werkzeugen zeugt von einem sehr negativen Menschenbild, das sicher nicht richtig ist. Durch eine systematische und aktive Förderung dieser Werkzeuge und deren Integration in die Lehre kann dem leicht entgegengewirkt werden.





"You will not be asked
not to resist, or ordered
to stop resisting.
I am merely stating a fact:
Resistance is futile."
Martin Wölker

Darüber hinaus sollten wir die soziale Dimension nicht aus den Augen verlieren. Limburg et al. führen dazu aus: "Hinzu kommt die Gefahr, dass bestehende Ungleichheiten zwischen Studierenden durch neue Wissensasymmetrien verschärft werden könnten: Die erfolgreiche Bewältigung des Studiums und schriftlicher Prüfungsleistungen hinge dann von der Zugänglichkeit und Kenntnis KI-basierter Textwerkzeuge und einer möglichst geschickten - Plagiate verschleiernden - Anwendung ab."

Das rasante Wettrüsten zwischen mächtigen Werkzeugen und weiteren Werkzeugen zur Aufdeckung ihres Einsatzes ist ein Teufelskreis, der nicht zu durchbrechen ist. Wir müssen im Sinne der Chancengleichheit für alle Waffengleichheit herstellen.

Es ist absurd, die Anwandlung zu haben, die Verwendung der "Künstlichen Intelligenz" zu verhindern, nur weil Veränderungen anstehen. Im Gegenteil, wir müssen konsequent mit ihnen arbeiten, denn zweifellos liegt darin die Zukunft.

Quellen

  1. Limburg, Anika, Salden, Peter, Mundorf, Margret and Weßels, Doris (2022), "Plagiarismus in Zeiten Künstlicher Intelligenz" Verlag der Technischen Universität Graz & Verein Forum neue Medien in der Lehre Austria.[BibTeX] [DOI] [URL]
  2. Salden P (2023), "Didaktische und rechtliche Perspektiven auf KI-gestütztes Schreiben in der Hochschulbildung" Ruhr-Universität Bochum. [BibTeX] [DOI] [URL]

Transparenzhinweis

in diesem Beitrag habe ich eingesetzt:
  • Ausgangspunkt ist die Diktierfunktion in Windows 10 von Microsoft. 
  • Das Diktat habe ich dann editiert und mit DeepL-write Korrektur gelesen. 
  • Anschließend wieder hier im Blog eingefügt und den roten Faden verbessert, da beim freien Diktieren Gedanken doppelt entstehen oder nicht an der passende Stelle stehen. 
  • Das Ergebnis hat mit teilweise nicht richtig gefallen und ich habe ChatGPT mit einer Rechtschreib- und Grammatik Korrektur- beauftragt, was dann wieder in dieses Dokument eingeflossen ist.
  • Die Bilder sind wie bereits oben beschrieben mit Hilfe von Dall-E2 und anschließenden Grafikbearbeitung durch mich entstanden.
Insgesamt ein mehrfacher iterativer Prozess, um das Ergebnis zu erzielen.

31.7.23 Beitrag angelegt und mit Flickr verlinkt
2.8.23 Beitrag geschrieben
3.8.23 Minor edits, Selbstständigkeitserklärung sprachlich geglättet und Star Trek Zitate ergänzt.
4.10.23  Selbstständigkeitserklärung in Rahmen gestellt und Doppelung entfernt


Blog: , Seite:
Version: 1.3 Mai 2023, Kontakt: E-Mail Martin Wölker
Pirmasens, Germany, 2018-, ausgelesen am: , Licence CC BY-NC-SA


Kommentare