Was ist der richtige Logistikstudiengang: Korpusanalyse der Logistik

Die Frage nach dem richtigen Logistik-Studiengang kann unterschiedlich beantwortet werden. Eines ist jedoch sicher: Viele Hochschulen in Deutschland bieten logistikaffine Studiengänge an, aber nicht jede Hochschule hat zwangsläufig einen eigenen Logistik-Studiengang. 

In der Regel diskutieren "Experten", die an einem Studiengang beteiligt sind, und versuchen, ihre eigenen Meinungen einzubringen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, was an der Hochschule zur Verfügung steht. Dies ist an vielen Hochschulen gängige Praxis. Das macht den Studiengang aber nicht objektiv richtig, sondern spiegelt eher Meinungen, persönliche Positionen, Traditionen und verfügbare Ressourcen wider. 

Dieser traditionelle Ansatz, bei dem Professoren, häufig ältere weiße Männer, ihre Ansichten in das Curriculum eines Studiengangs einfließen lassen, kann als innovationsfeindlich angesehen werden. Häufig führt der Mangel an Vielfalt und das Beharren auf traditionellen Inhalten zu einem Mangel an Aktualität, was insgesamt die Innovationskraft hemmt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie häufig auf etablierten Traditionen und persönlichen Vorlieben basieren und nicht auf den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Industrie. 

Textanalyse auch gut für Logistiker

Ein anderer Ansatz, den ich bereits im vorigen Artikel beschrieben habe, besteht darin, zu analysieren, was andere Hochschulen anbieten, und einen Studiengang zu entwickeln, der einen "Common Sense" der Logistikausbildung widerspiegelt. Man könnte auch einen exotischen Studiengang anbieten, aber der würde sich wahrscheinlich nicht gut verkaufen. Und natürlich leidet auch dieser Ansatz unter dem bereits beschriebenen Bias, steht aber auf einer breiteren Basis.

Copusanalyse: wie wird Logistik dargestellt?

Hier wird ein dritter Ansatz verfolgt. Dabei wurden 1313 Seiten aus dem Internet, die sich mit Logistik beschäftigen, in einem Korpus gesammelt. Die einzelnen Token wurden sortiert und in einer großen Excel-Tabelle strukturiert. Diese manuelle Arbeit habe ich vor der Verfügbarkeit von KI-Technologien und vor den jüngsten Krisen wie Corona und dem Krieg durchgeführt. 

Wir sehen also ein Bild der Logistik, das von den disruptiven Veränderungen der letzten Jahre unberührt geblieben ist. Nun stellt sich die Frage: Wollen wir ein stabiles Bild zeichnen oder das Chaos von heute? Gute Fragen, aber ich denke, Logistik ist immer langfristig angelegt.

Einig Einblicke stelle ich hier vor. Die gesamte Excel-Tabelle ist verfügbar und kann heruntergeladen werden. Als nächstes werde ich die Tabellen ChatGPT vorstellen und fragen: Wie würdest du einen Logistikstudiengang auf der Grundlage dieser statistischen Informationen gestalten?

Vorgehen bei der Corpusanalyse

Wie bin ich also vorgegangen? Ich habe das Programm TextSTAT 2.9c von Matthias Hüning benutzt, um alle Dateien einzulesen und die Texte in Worte (Typen) zu zerlegen. Er ist Professor für Niederländische Philologie/Linguistik an der FU-Berlin Das Programm gibt die Trefferhäufigkeit der Wörter im gesamten Korpus zurück. Man kann auch sehen, woher die Treffer stammen.

Es gibt drei Klassifikationsebenen: 11 Kategorien und 89 Unterkategorien. Diese sind 552 Themen zugeordnet. Das ergibt mehr als 27.000 Klassen. In diese Klassen ordne ich alle Treffer des Korpus ein. Sinnlose Begriffe (Stoppwörter) sind markiert. Es gibt auch Begriffe, bei denen nicht klar ist, wie sie einzuordnen sind. Diese habe ich als ambivalent markiert. Um die Performance nicht zu beeinträchtigen, habe ich die Stopwörter aus der aktiven Wortliste entfernt. Insgesamt blieben über 350.000 Treffer übrig.


Das Logistik-Cockpit 2024 aus der Korpus-Klassifikation

Diesen Vorgang habe ich mehrmals wiederholt. Am Anfang hatte ich etwa 21.000 Typen, dann über 50.000 und jetzt knapp über 89.000 Typen. Diese Typen müssen natürlich geordnet werden, um sinnvolle von unsinnigen zu unterscheiden. Derzeit sind über 60.000 Typen aktiv und ich kann sie gut klassifizieren. Insgesamt habe ich über 80% aller Treffer klassifiziert. Der Rest sind Begriffe, die selten vorkommen und daher vernachlässigbar sind. 

Ich habe kontinuierlich daran gearbeitet und einige Visual Basic Skripte geschrieben, um den Prozess zu verbessern. Seit 2012 zunächst manuell, basierend auf meiner Perspektive und im Laufe der Zeit immer systematischer mit einem immer größeren Korpus. Im Prinzip kann ich das beliebig nach oben skalieren. Mit jedem neuen, größeren Korpus kommen neue Begriffe und Klassen hinzu, aber das wird immer weniger. Man könnte sagen, es folgt einer Pareto-Lernkurve und wird nach und nach stabiler. 

Insights der Copusanalyse

Aus einem so großen Excel-Sheet lassen sich naturgemäß zahlreiche verschiedene Darstellungen erzeugen, die ich ein meinem Logistik-Cockpit darstelle. Daraus habe einige besonders auffällige Beispiele herausgezogen, das gesamte Excel-Sheet steht natürlich zur Verfügung.


Der klassische Tempel der Logistik braucht Menschen und den dikekten Kontakt

Die Säulen des Logistik-Tempels sind seit Jahrzehnten bekannt: Technik, Informatik und Betriebswirtschaft. Man könnte meinen, dass alle Säulen den Tempel gleichermaßen tragen, aber das ist nicht der Fall. Eine Analyse der Literatur und Veröffentlichungen zeigt, dass die Säulen unterschiedlich stark sind. Insbesondere die Technik spielt eine sehr große Rolle. Die Betriebswirtschaft ist zwar auch wichtig, betrachtet die Logistik aber eher aus einer Marketing- oder Vertriebsperspektive.


Die Säulen des Logistiktempels sind verschieden stark.

Was dem klassischen Tempel jedoch fehlt, sind zwei Dinge, die in der Darstellung von Jünemann 1989 nicht berücksichtigt wurden: Kommunikation und Menschen. Die Kommunikation wird durch einen kleinen Funkmast symbolisiert, der eine direkte Verbindung ohne Hindernisse darstellt. Aber was nützt ein Tempel ohne Priester und Menschen, die in ihm beten? 

Logistik ohne Menschen ist nichts, also müssen auch die Menschen berücksichtigt werden. Ich habe alle relevanten Treffer herausgesucht und zusammengefasst. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Treffer in den jeweiligen Kategorien im gesamten Korpus.

Anteil technischer und nicht-technischer Aspekte in Logistischen Disziplinen

Die verschiedenen Ausrichtungen der Logistik, wie Intralogistik und Informationslogistik, haben unterschiedliche Anteile im technischen bzw. nicht-technischen, meist betriebswirtschaftlich konnotierten Bereich. In der Grafik wird deutlich, dass die Intralogistik, die in Pirmasens Logistik stark vertreten ist, einen hohen Technikanteil aufweist. Auch die Informationslogistik hat einen hohen Technikanteil, während die Transportlogistik deutlich weniger technisch orientiert ist. Viele andere Bereiche wie die Beschaffungs- oder Distributionslogistik sind deutlich weniger technikgeprägt.


Der Logistiker ist vom Anfang bis zum Ende bei der Problemlösung dabei.

Was macht eigentlich ein Logistiker? Der Logistiker ist von Anfang bis Ende an einem Projekt beteiligt. Ein Projekt beginnt meistens damit, dass ein Problem auftritt - sei es, dass etwas nicht funktioniert, schneller oder kostengünstiger gemacht werden muss. Das Projekt beginnt mit der Ermittlung, geht über die Analyse zur Planung und endet schließlich mit der Umsetzung und dem Betrieb.

Der Logistiker ist an allen Phasen des Projekts beteiligt. Besonders wichtig ist seine Rolle bei der Problemdefinition und Planung, d.h. bei der Identifizierung des Problems und der Entwicklung von Lösungen. Diese Aufgaben ähneln den klassischen Aufgaben eines Ingenieurs. Die Grafik zeigt die Anzahl der Nennungen im Korpus. Das Tortendiagramm fasst die vier Phasen der Problemlösung zusammen: Problemdiagnose, Lösungskonzeption, Problemlösung und Umsetzung.

was einen Logistiker auszeichnet.

Stellt man sich die Frage, was einen Logistiker auszeichnet und welche Fähigkeiten und Kompetenzen er haben muss, so wird schnell klar, dass Fach- und Methodenkompetenz unerlässlich sind. Diese Anforderungen stellen die Grundvoraussetzung dar.

Im betrieblichen Alltag sind jedoch die Soft Skills von entscheidender Bedeutung. Insbesondere Teamfähigkeit wird immer wieder gefordert. Mehr als die Hälfte aller Nennungen im Korpus beziehen sich auf weiche Faktoren und nicht auf harte Fachkompetenzen. Dies sollte in jedem Studiengang berücksichtigt werden, denn wir bilden Fachkräfte für den Arbeitsmarkt aus und nicht nur technische und betriebswirtschaftliche Experten.

Das war es vorerst für diesen Blogbeitrag. Er sollte auch nicht zu lang werden. Das gesamte Logistik-Cockpit 2024 könnt ihr hier anklicken und euch gerne anschauen. Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr sie jederzeit stellen. Ich kann auch noch mehr Statistiken raussuchen. Mir geht es immer so: Wenn ich mich damit beschäftige, entdecke ich immer wieder neue Fragen. Das ist typisch und erinnert an Data Mining. Also, kommt mit euren Ideen und Fragen. Ich nehme sie gerne auf.

Weitererentwicklung

Die Dokumentation ist noch rudimentär. Die Beschreibung der Methodik, der verwendeten Algorithmen und der Implementierungsdetails sollte verbessert werden. Jetzt weiß nur ich, wie es funktioniert, es sollte benutzerfreundlicher gemacht werden. Die Bewertung der Genauigkeit und Effizienz des Klassifikators beschränkt sich derzeit auf Benford. Verbesserungen könnten durch die Verwendung von Testdatensätzen und Metriken wie Präzision, Recall und F1-Score erreicht werden. 

Seit Juni ist eine neue Version von TextStat verfügbar. Das vorhandene Korpus muss dazu importiert werden. In der Versionsgeschichte steht, dass es einfacher ist, Dateien verschiedener Formate hinzuzufügen. TextSTAT soll besser skalieren, was ich dann natürlich auch in meinen Klassifikator einbringen muss.

Schlussfolgerung

Das Logistikstudium sollte ein ausgewogenes Verhältnis von technischen und nicht-technischen Inhalten bieten, alle wichtigen logistischen Disziplinen abdecken und den Studierenden die notwendigen Fach-, Selbst- und Sozialkompetenzen vermitteln. Praktische Erfahrungen und interdisziplinäre Ansätze sind unerlässlich, um die Studierenden auf die Herausforderungen der modernen Logistik vorzubereiten.

Hilfsmittel

Matthias Hüning (2000/2014), TextSTAT 2.9c, TextSTAT (Neue Verion)

Der Aktuelle Korpus für die Analyse mit diesem Excel-Sheet in Version 3.1.2

OpenThesaurus: deutschsprachiges Wörterbuch für Synonyme und Assoziationen

Microsoft Fuzzy Lookup Add-In for Excel

Transparenzhinweis

Für diesen Text wurden Diktat in Copilot mit anschließender Überarbeitung und danach mit  DeepL-Write optimiert, weil da das Deutsch deutlich besser ist.




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Version: 1.3 Mai 2023, Kontakt: E-Mail Martin Wölker
Pirmasens, Germany, 2018-, ausgelesen am: , Licence CC BY-NC-SA




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