Ohne Moos nix los

So wie ich das sehe wird Statistik-Problem in der Hochschullehre wenig adressiert; egal ob ich als ASIIN-Gutachter unterwegs war oder Studiengänge analysierte, klassische Statistiklehre ist die Regel. 

Offensichtlich liegt hier eine Lücke; super - echter F&E Bedarf. 

Fragt sich nur wie das finanziert werden kann. 

F&E Finanzierung

Da kam die CZS Wildcard (Carl Zeiss Stiftung) gerade recht: "Im Rahmen des Programms „CZS Wildcard“ fördert die Carl-Zeiss-Stiftung unkonventionelle Forschungsprojekte von interdisziplinäre Gruppen, die aus mindestens drei Wissenschaftler:innen bestehen."

Kollegen, die Statistik und Forschung, Lehre und Transfer umfassend einsetzen haben ich ja genug; und das Team war auch schnell gefunden: Wir sind ein Biologe, ein Mathematiker und ich als Physiker; dazu arbeiten wir in Bioforschung, Informatik und Logistik: super breit aufgestellt.

Einer von uns meinte: "Das Problem kommt daher, dass häufig nicht Statistik, sondern Stochastik gelehrt wird, also Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik - und dabei die Statistik meist hinten runter fällt." Er hat das schon lange in seinen Veranstaltungen angepasst. Im Master geht das bis zu DoE, Durchführung und Auswertung/Präsentation an Hand von realen Projekten.

"Es geht um die  Anwendungsperspektive der Statistik. Also nicht erst mathematische Formeln herleiten und Auswendiglernen. Und dann vom Deskriptiven über das Induktive zur Exploration – also von kleinen überschaubaren Datenmengen zu komplexen Zusammenhängen – zu gehen. Dein Ansatz ist,  komplexe Daten aus dem Alltag direkt erst einmal durch multivariate  Statistik zu ergründen und eine gewisse „Sensibilität“ für den Datensatz zu entwickeln und dann schrittweise die einzelnen Komponenten heraus zu kitzeln", so der Dritte im Bunde. 


Wir liegen perfekt in der ersten Zeile
[Ausschreibung Seite 6]

Somit kein Problem den Antrag zu schreiben: Fachlich breit aufgestelltes Antragsteam mit langjähriger Erfahrung in Forschung, Entwicklung, Lehre unter Verwendung diverser „Tools“. Vergleichbarere Erfahrungshorizonte, dass trotz aufwändiger Lehrveranstaltungen die Anwendung von Analysemethoden ist in der Praxis insuffizient ist. Die Sensibilität für die Auswahl passender Methoden zum vorliegenden Anwendungsfall ist stets insuffizient.

Also schaut man in die Antragsunterlagen Ausschreibung & Richtlinien (PDF, 318 kB). Der Rest ist dann sowieso Formalpetting: Formblatt Antragstellung (DOCX, 364 kB)Anlagen (XLSX, 38 kB)Datenschutzerklärung (PDF, 69 kB)

Der Haken

Unser Team ist perfekt aufgestellt, aber "Dem Antrag beizulegen sind letter of interests (LOI) der Institutionen, an denen die Wissenschaftler:innen des antragstellenden Konsortiums beschäftigt sind. Mit dem Schreiben verpflichten sich diese, dem/der Wissenschaftler:in die für eine unabhängige Forschungsarbeit angemessenen Bedingungen zu bieten, im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen Budgetautonomie zu gewähren sowie die administrative Abwicklung des Projekts zu organisieren (Verwaltung der Fördermittel etc.)." 

Wo ist denn da das Problem?

Scheint simpel; die Hochschulleitung soll den LOI schreiben. Aber, jede Hochschule darf nur zwei Anträge einreichen und alle Interessenten müssen sich intern mit einem  zweistufiges Verfahren hochschulintern durchsetzen. Natürlich haben wir unsere Ideenskizze eingereicht:


Unsere Ideenskizze

Es wurde ein Auswahlgremium aus Hochschulleitung und etablierten Funktionsträgern zusammengestellt, vor dem die Ideen kurz vorgestellt werden sollten. Vorgesehen waren 15 Minuten je Ideenskizze, was natürlich nicht eingehalten wurde. Rätselhaft, wie aus zwei Seiten und ein paar Minuten darüber reden, qualifiziert bewertet werden soll, wie die Antragschance einer unkonventionellen Idee bei der Carl Zeiss Stiftung ist. 


Symbolische Darstellung der Synthese der zwei grundsätzlichen Ansätze für eine Systemanalyse:
Im oberen Zweig der konstruktivistische Ansatz wird ein Modell des Systems betrachtet. Allerdings bedarf es der Validierung, was z.B. durch Experimente umgesetzt wird. Die notwendigen Daten werden nach statistisch validen Methoden erzeugt, um die Hypothesen des Modells zu prüfen.
Im unteren Zweig ist der Ausgangspunkt, dass reale Daten bereits vielfältig vorhanden sind bzw. erzeugt werden. D.h. das System wird als existierendes Phänomen aufgefasst. Allerdings muss eine Datenexploration diese erst verständlich machen, Lücken aufdecken etc. und so ein Bild des Systems erarbeitet. Insuffizienzen der Daten führen zu einem unvollständigen Bild des Systems.
Der Kniff ist beide Wege zu gehen, da sie sich perfekt ergänzten. [1]

Die „Jurymitglieder" haben sich leider entschieden, dass zwei andere Ideenskizzen von den Kollegen zum Antrag ausgearbeitet werden sollen, schade. Möge ihnen Erfolg beschieden sein. 

Resümee

Frage: Wie sollen unkonventionelle Ideen in der Pseudodemokratie unserer Gremienwelt bestehen?

Nun denn: nach dem Antrag ist vor dem nächsten Antrag.

Mein Dank an Janina Müller, die mich toll bei der Ideenskizze unterstützt  hat. 

  1. In Anlehnung an Wölker M (2000), "Analyse Logistischer Systeme mit Selbstorganisierenden Merkmalskarten". Thesis at: Universität Dortmund. Dortmund, Juni, 2000. Verlag Praxiswissen. [BibTeX] [URL], Seite 101
    In meiner Arbeit beschreite ich den unteren phänomenologischen Weg mit der Systemabbildung von Meßdaten mittels topologieerhaltenden Merkmalskarten nach T. Kohonen.









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